Schwanger trotz Vasektomie: Ist das möglich?
Ihr habt alle Entscheidungen für die Familienplanung getroffen, der Mann hat sich sterilisieren lassen – und plötzlich zeigt der Schwangerschaftstest zwei Streifen? Klingt nach einem sehr unwahrscheinlichen Szenario – schwanger trotzt einer Vasektomie, also einer Sterilisation beim Mann, ist das wirklich möglich? In diesem Artikel erfährst Du, warum eine Schwangerschaft trotz Vasektomie eintreten könnte und wie häufig das tatsächlich vorkommt.
Was ist eine Vasektomie?
Eine Vasektomie ist ein chirurgischer Eingriff beim Mann zur dauerhaften Verhütung. Bei diesem ambulanten Verfahren werden die Samenleiter durchtrennt und verschlossen, wodurch keine Spermien mehr in die Samenflüssigkeit gelangen können. Die Sterilisation dauert meist nur 20 bis 30 Minuten und wird unter lokaler Betäubung durchgeführt.
Die Vasektomie gilt als eine der sichersten Verhütungsmethoden überhaupt. Nach dem Eingriff produzieren die Hoden zwar weiterhin Spermien, diese können jedoch nicht mehr nach außen gelangen und werden vom Körper abgebaut. Die Vasektomie hat keinen Einfluss auf die Hormonproduktion oder das sexuelle Empfinden des Mannes – die Ejakulation findet weiterhin statt, allerdings ohne Spermien – und damit ist eine Schwangerschaft eigentlich ausgeschlossen.
Mögliche Gründe für eine Schwangerschaft trotz Vasektomie
Obwohl sie als äußerst zuverlässige Verhütungsmethode gilt, kann es in sehr, sehr seltenen Fällen dennoch zu einer Schwangerschaft trotz Vasektomie kommen. Wir gehen möglichen Ursachen auf den Grund.
Versagen der Vasektomie: OP-Fehler und Rekanalisation
Ein Hauptgrund dafür, warum die Vasektomie versagt, sind technische Fehler während des operativen Eingriffs. Eine Vasektomie ist allerdings medizinisch betrachtet ein relativ unkomplizierter Eingriff und die Fehlerquote daher gering.
Diese Fehler können theoretisch bei der OP geschehen:
Es kann aber auch sein, dass der Körper nach der Vasektomie dafür sorgt, dass diese versagt. Ein faszinierendes biologisches Phänomen ist die Rekanalisation – das spontane Wiederzusammenwachsen der durchtrennten Samenleiter.
Der Körper versucht, die Unterbrechung zu „reparieren“, indem er neue, mikroskopisch kleine Kanäle zwischen den getrennten Enden bildet. Diese Rekanalisation tritt besonders häufig in den ersten Monaten nach dem Eingriff auf, kann aber theoretisch auch Jahre später noch vorkommen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch extrem gering. Mediziner:innen schätzen, dass dieses Phänomen für etwa 0,025 % bis 0,05 % der Schwangerschaften trotz einer Vasektomie verantwortlich ist.
Unvollständige Nachsorge
Wie so oft: Auch das menschliche Verhalten ist eine Fehlerquelle. Wird eine Frau nach einer Vasektomie schwanger, ist die Ursache häufig die mangelnde Beachtung der Nachsorgeanweisungen durch den Mann bzw. das Paar:
Seltene anatomische Variationen
Nicht jeder Körper ist gleich: In sehr seltenen Fällen können ungewöhnliche anatomische Gegebenheiten zum Versagen einer Vasektomie führen:
Diese anatomischen Besonderheiten kommen äußerst selten vor und werden oft erst entdeckt, wenn trotz Vasektomie eine Schwangerschaft eintritt.
Statistische Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz Vasektomie
Die Vasektomie ist, richtig durchgeführt, eine sehr sichere Methode, eine ungewollte Schwangerschaft zu verhüten. Um die Wirksamkeit von Verhütungsmethoden einzuordnen, wird häufig der Pearl-Index verwendet. Er gibt an, wie viele von 100 Frauen im Zeitraum eines Jahres schwanger werden.
Der Pearl-Index für die Vasektomie liegt bei etwa 0,1 bis 0,15. Das bedeutet, dass von 1.000 Paaren, die ausschließlich auf die Vasektomie als Verhütungsmethode vertrauen, etwa ein bis zwei Frauen pro Jahr schwanger werden. Zum Vergleich: Die Pille hat einen Pearl-Index von 0,1 bis 0,9 (bei perfekter Anwendung), Kondome liegen bei 2 bis 12.
Langzeitstudien zeigen, dass das Risiko, nach einer Vasektomie schwanger zu werden, mit der Zeit sogar noch weiter abnimmt. Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz Vasektomie beträgt:
Wie geht Ihr mit einer Schwangerschaft nach einer Vasektomie um?
Wenn die Frau trotz Sterilisation des Mannes schwanger wird, ist dies für das betroffene Paar meist ein großer Schock. Folgende Schritte sind in dieser Situation sinnvoll:
Kann man eine Vasektomie rückgängig machen?
Manchmal lässt sich das Leben nicht so perfekt planen: Wenn Ihr Euch einig seid, dass Ihr nun trotz Vasektomie Kinder wollt, gibt es für den Mann Möglichkeiten, wieder zeugungsfähig zu werden – einfach sind diese allerdings nicht, weshalb eine Sterilisation immer gut überlegt sein sollte.
Refertilisierung (Vasovasostomie)
Die Vasovasostomie ist ein mikrochirurgischer Eingriff, bei dem die durchtrennten Samenleiter wieder zusammengefügt werden. Dieser Eingriff ist deutlich komplexer als die ursprüngliche Vasektomie:
Die Erfolgsraten der Refertilisierung hängen stark davon ab, wie lange die Vasektomie zurückliegt:
Testikuläre Spermienextraktion (TESE)
Eine weitere Möglichkeit, trotz Vasektomie Kinder zu bekommen, ist die Testikuläre Spermienextraktion (TESE). Bei diesem ambulanten Eingriff werden Spermien direkt aus dem Hoden entnommen, um sie für eine künstliche Befruchtung zu verwenden.
Wie funktioniert TESE genau? Der:die Urolog:in gewinnt durch einen kleinen Schnitt im Hodensack mehrere Gewebeproben, die im Labor auf Spermien untersucht werden. Die gefundenen Spermien werden für eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) verwendet – ein Verfahren der künstlichen Befruchtung, bei dem eine Samenzelle direkt in eine Eizelle injiziert wird.
Die gewonnenen Spermien können auch eingefroren werden und stehen so für mehrere Behandlungsversuche zur Verfügung. Bei Männern nach Vasektomie ist die Chance, Spermien zu finden, mit 90 bis 100 % sehr hoch. Die Erfolgsrate der anschließenden ICSI-Behandlung liegt bei etwa 30 bis 50 % pro Zyklus der Frau.
Häufige Fragen zur Vasektomie und Schwangerschaft
Ist eine Vasektomie zu 100 % sicher?
Nein, keine Verhütungsmethode ist zu 100 % sicher. Die Vasektomie gehört jedoch mit einer Sicherheit von 99,85 % bis 99,95 % zu den zuverlässigsten Methoden überhaupt. Zum Vergleich: Die Pille hat (vollkommen korrekt angewendet) eine theoretische Sicherheit von 99,9 %, bei typischer Anwendung liegt sie jedoch nur bei etwa 91 %.
Wie wahrscheinlich ist es, trotz Vasektomie noch zeugungsfähig zu sein?
Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz Vasektomie liegt bei etwa 0,1 bis 0,15 % – vorausgesetzt, sie wurde korrekt durchgeführt und durch Spermiogramme bestätigt. Das bedeutet, dass von 1.000 sterilisierten Männern nur ein bis zwei innerhalb eines Jahres noch ein Kind zeugen können. Dieses geringe Restrisiko sinkt mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Eingriff weiter ab.
Wie viele Frauen werden trotz Vasektomie schwanger?
Statistisch gesehen werden etwa ein bis zwei von 1.000 Frauen pro Jahr schwanger, deren Partner eine Vasektomie hatte. Diese Rate sinkt mit zunehmendem Abstand zum Eingriff weiter ab.
Wie lange dauert es, bis die Vasektomie vollständig wirksam ist?
Nach dem Eingriff können noch für einige Zeit Spermien in den Samenleitern jenseits der Unterbrechungsstelle vorhanden sein. Daher ist die Vasektomie nicht sofort wirksam. Es wird empfohlen, mindestens 20 bis 30 Ejakulationen nach dem Eingriff abzuwarten, dann sollten die Samenleiter „clean“ sein. Zusätzliche Verhütung für etwa drei Monate sichert Euch ab. Erst nach zwei negativen Spermiogrammen (ohne Spermien) gilt die Vasektomie als wirksam.
Gibt es Möglichkeiten, die Erfolgsquote der Vasektomie zu erhöhen?
Wie fast jeder medizinische Eingriff hängt die Erfolgsquote auch bei einer Vasektomie davon ab, wie Du Dich nach der OP verhältst. Halte die Nachsorgeanweisungen ein und verhüte zu Beginn zusätzlich. Nimm auch unbedingt die Termine zu den Spermiogrammen wahr. Auch die Wahl des:der operierenden Mediziner:in spielt unter Umständen eine Rolle, sowie die Technik, die er:sie anwendet.
Fazit: Schwanger trotz Vasektomie? So gut wie unmöglich
Eine Vasektomie ist einer der sichersten Wege, eine Schwangerschaft zu verhüten. In sehr seltenen Fällen kann es aber auch trotz Vasektomie zu einer Schwangerschaft kommen – sei es durch technische Fehler beim Eingriff, unvollständige Nachsorge oder das (wirklich rare) biologische Phänomen der Rekanalisation. Keep in mind: Eine zu 100 % sichere Verhütungsmethode gibt es schlichtweg nicht. Mit einer Vasektomie ist die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft jedoch wirklich sehr gering.
Quellen: