Was Du zum Thema Coming-out wissen musst
Diese Worte das erste Mal auszusprechen ist für viele queere Menschen ein großer Schritt: “Mama, Papa, ich bin schwul.” Oder: “Mama, Papa, ich bin lesbisch.” Oder: “Ich bin trans”, “Ich bin bi.” Egal, wer man ist und wie man liebt, das Coming-out ist ein Moment, in dem man anderen Menschen mitteilt, wer man ist und was man vielleicht eine Weile für sich behalten hat. Es kommen Ängste vor Zurückweisung und der Zukunft zusammen mit Zweifeln über die eigene Identität. Für die eine Person ist das Coming-out leicht, für die andere ein Riesenschritt.
Queere Menschen haben nicht nur ein Coming-out, sondern viele. Es fängt bei dem ersten an und führt durch das ganze Leben. Jedes Mal, wenn man ein Bild vom Partner oder der Partnerin zeigt oder wenn Themen wie Kinder und Familienplanung anstehen. Weil das Thema für viele Menschen so wichtig ist, möchten wir hier die wichtigsten Fragen um das Coming-out klären. Denn nicht nur queere Personen betrifft das Coming-out, sondern auch die, vor denen sich jemand outet. Egal ob es Freund:innen, Familienmitglieder, Kolleg:innen oder Fremde sind.
Was ist ein Coming-out?
Per Definition ist ein Coming-out der Prozess einer Person, sich zu ihrer sexuellen Identität zu bekennen. Dabei kann es, bei trans Personen zum Beispiel, auch um die Geschlechtsidentität gehen. Ein Coming-out findet im privaten Kreis oder auch im öffentlichen Rahmen statt. Es geht im Prinzip darum, anderen mitzuteilen, dass man in einem Punkt von heterosexuellen cis Menschen, die die Mehrheitsgesellschaft bilden, abweicht. Cis Menschen sind Personen, die sich mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. Man unterscheidet das innere Coming-out, sich selbst gegenüber, und dem äußeren Coming-out, anderen gegenüber.
Wem vertraue ich mich an und wann ist der richtige Moment?
Es gibt keinen richtigen Moment. Es ist aber durchaus sinnvoll, sich jemanden zu suchen, bei der:dem man sich wohlfühlt und bei der:dem es sehr wahrscheinlich ist, dass man auf positives Feedback stößt. Es ist erfahrungsgemäß auch hilfreich, vor dem Coming-out klarzumachen, dass es jetzt um ein wichtiges und sensibles Thema geht. Das bereitet das Gegenüber vor, nicht unangemessen zu reagieren und kurz zu überlegen, bevor es etwas sagt. Einigen hilft es auch zu sagen, dass er:sie aufgeregt ist und sich lange Gedanken darüber gemacht hat. Das nimmt den Druck ein wenig raus. Andere wiederum sagen es einfach und gut ist. Es kommt darauf an, wer Du bist, wie Du fühlst und was Dir wichtig ist. Denke vor Deinem Coming-out darüber nach, wie Du Dich am wohlsten fühlst.
Wieso braucht es noch ein Coming-out?
Für heterosexuelle Menschen ist es oft schwer verständlich, wieso es Coming-outs noch braucht. Denn wer hetero und cis ist, der fällt nicht auf und kann davon ausgehen, angenommen zu werden und auf keinen Widerstand oder Anfeindungen zu treffen. Heteros wären wahrscheinlich höchst empört, wenn ihre Sexualität in Frage gestellt würde oder sie Gewalt erfahren würden, wenn sie händchenhaltend über die Straße gehen.
Für queere Menschen sieht das anders aus. Jedes Jahr steigen die gemeldeten homofeindlichen Übergriffe. Homosexualität ist in einigen Staaten immer noch strafbar. Selbst in Deutschland können sich queere Menschen weiterhin therapieren lassen und “umpolen” lassen, obwohl erwiesen ist, dass das schier unmöglich und Homosexualität natürlich ist. Dazu kommen etliche Angriffe auf CSDs und die rechtliche Lage für queere Menschen in Ländern wie Tschetschenien, wo behauptet wird, es gäbe dort keine queeren Menschen.
Ein Coming-out ist, wenn auch nur im kleinen Rahmen, immer ein Schritt der Homofeindlichkeit entgegen. Es sagt: Hier sind wir. Wir sind laut und gut und wollen gehört werden. Sich zu outen ist wichtig, damit auch andere sich identifizieren und trauen können. Man weiß nie, wer durch das eigene Coming-out inspiriert wird, sich auch zu outen. Weiter ist das Coming-out für einen selbst immer eine Tat der Selbstermächtigung. Man teilt sich mit und zeigt sich authentisch. Deswegen wird das Coming-out für viele als Befreiungsschlag wahrgenommen. Wenn Du es nicht für andere tust, dann zumindest für Dich selbst. Niemand versteckt sich gern. Und solange es noch Fußballer:innen und Schauspieler:innen gibt, die sich nicht outen, weil sie Angst um ihre Karrieren haben, sind wir noch lange nicht am Ziel. Es braucht noch viel mehr Coming-outs!
Wie gehe ich mit einem Coming-out um?
Für Verwandte, Freund:innen und Kolleg:innen ist es wichtig, mit Empathie, Wohlwollen und Zuwendung zu reagieren. Mach’ Dir in diesem Moment bewusst: Es geht nicht um Dich, sondern um die Person, die sich outet. Und die muss aufgefangen werden. Ein Coming-out kann sehr viel Mut kosten, da es so viele Horrorstorys über Eltern gibt, die ihre Kinder verstoßen haben. Wenn Dir nicht einfällt, was Du sagen kannst, dann sage einfach das: “Danke, dass Du Dich mir anvertraut hast. Ich weiß, dass das sehr viel Mut und Überwindung kostet.” Und wenn Du kannst noch ein: “Ich liebe Dich.” Nicht “ich liebe Dich _trotzdem_”, sondern nur “Ich liebe Dich”. Das geht immer und ist immer schön. So entsteht zumindest kein Coming-out der Hölle. Vielleicht gibt es in Deinem Umfeld Menschen, mit denen Du darüber sprechen kannst, falls Du ein Coming-out erahnst und Dir Rat holen, wie sie reagiert haben oder was sie sich gewünscht hätten.
Passend zu diesem Thema gibt es bei EIS.de das Buch “Coming-out”. 18 queere Stars erzählen darin über ihren wichtigsten Moment im Leben – ihr Coming-out.
# Über den Autor
Sebastian Goddemeier ist Autor, Journalist und Sprecher und EIS-Experte für queere Themen. Zum Autorenprofil.
Mehr von Sebastian findet Ihr auch auf Instagram.