Päderast: Der sich an Kindern vergehende Schwule?
„Der Päderast, dieser schwule Kinderschänder, der unsere kleinen Jungen verführt, missbraucht und dadurch schwul macht. Wir müssen unsere kleinen Kinder vor ihm schützen!“ – Klingt absurd? Das hoffe ich. Denn am kinderverführenden Päderasten, der Jungen schwul „macht“ ist natürlich nichts dran. Und dennoch halten sich sowohl der Begriff als auch dieser Mythos hartnäckig.
Der Päderast im Wandel der Zeit
Um den Begriff des Päderasten in seiner Vollständigkeit zu verstehen, müssen wir eine kurze Reise durch die menschliche Geschichte und Kultur machen und haben 3 große Haltestellen: Die Antike, die Neuzeit und die Gegenwart.
Der Päderast in der griechischen Antike
Der Päderast in der griechischen Antike ist jemand, der paederastia, also die sogenannte Knabenliebe, auslebt. Wir befinden uns in einem sehr großen Zeitabschnitt, etwa 800 bis 30 vor Christus. In dieser Zeit ist es gesellschaftlich akzeptiert, dass ein freier, erwachsener Bürger (auch erastes, der Liebende, genannt) eine intellektuelle, pädagogische aber auch erotische Beziehung zu einem 12- bis 20-jährigen männlichen Jugendlichen (pais, Knabe oder eromenos, Geliebter) hatte.
Der Erwachsene brachte dem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen sowohl die Pflichten und Rechte eines freien griechischen Bürgers bei, aber hatte meistens auch eine sexuelle Beziehung mit diesem. Hintergrund war folgender Gedanke: Als freier, erwachsener Bürger wurde ein 21-jähriger, in Freiheit geborener Mann akzeptiert. Frauen waren auf einer Stufe mit Kindern und unter diesen standen die Sklavinnen und Sklaven. Der Mann wurde intellektuell aber auch körperlich als über der Frau stehend angesehen und deshalb war die Liebe oder der Sex unter Männern nicht tabuisiert, sondern wurde als Sex unter geistig ebenbürtigen Menschen wahrgenommen.
Die Betonung liegt auf geistig ebenbürtig, denn es gab durchaus Regeln und es ist kein Zufall, dass pais oder eromenos maximal 20 Jahre alt waren. Die gesellschaftlichen Regeln und die sexuelle Etikette legten fest, dass ein männlicher Bürger mit 21 Jahren erwachsen war. Und erwachsene Männer hatten die männliche Geschlechtsrolle auszuleben – dazu gehörte auch aktiv zu penetrieren. Deshalb musste der erwachsene erastes beim Analverkehr aktiv sein und der Minderjährige (der ja mit Frauen auf einer Stufe stand) passiv sein, also der damaligen Logik folgend: die weibliche Rolle einnehmen, sprich penetriert werden. Wenn herauskam, dass ein erwachsener männlicher Bürger sich von einem anderen Mann oder Jugendlichen penetrieren ließ, konnte das Verbannung oder Exil als Strafe nach sich ziehen.
Der Päderast in der deutschen Neuzeit
Während der Begriff jahrhundertelang so oder so ähnlich genutzt wurde, kam es im 19. Und 20. Jahrhundert zu einem Wandel. Päderastie wurde nun genutzt um vor allem Homosexualität unter Männern zu bezeichnen. In einer Zeit, in der jegliche Sexualität, die nicht zur Kinderzeugung diente, als widernatürlich eingestuft wurde, rückte die Homosexualität zuerst in den juristischen und später medizinischen Fokus und wurde infolge dessen als immer krankhafter dargestellt. Um in dieser angeblich wissenschaftlichen Neuzeit den christlich begründeten Begriff Sodomie abzulösen, wurde nun der Begriff Päderastie verwendet.
Der Päderast in der Gegenwart
Sexualpsychologisch nutzen wir heutzutage den Begriff Päderast nicht mehr. Durch die vielen verschiedenen Bedeutungen, die er im Laufe der Zeit hatte, gibt es zu viel Interpretationsspielraum. Der Begriff ist nicht eindeutig. Gesellschaftlich wird der Begriff aber manchmal noch genutzt – meistens, um einen pädophilen Menschen zu beschreiben, manchmal aber auch, um Männer zu beschreiben, die Sex mit Männern haben. Oft wird beides vermischt. Der Päderast ist dann der erwachsene schwule Mann, der Jungen verführt. Und diese verführten Jungen würden deshalb angeblich homosexuell werden. Das ist wissenschaftlich nicht haltbar. Wir wissen nicht, warum genau jemand steht, worauf er oder sie steht. Wir wissen aber, dass die Gene eine Rolle spielen. Man kann niemanden „homosexuell machen“. Und bereits in den 1980ern Jahren (und seitdem immer und immer wieder) konnte eindeutig gezeigt werden, dass Pädophilie und Homosexualität zwei verschiedene Dinge sind und erstmal nichts miteinander zu tun haben.