Objektophilie
Wenn Menschen Gegenstände lieben
Wie sieht für dich das ideale erste Date aus? Eine gute Zeit haben, Lachen, angenehme Gespräche ... Moment! Haben wir denn schon eindeutig geklärt, dass das ideale Date einen anderen Menschen beinhaltet? Für manche Menschen beinhaltet das ideale Date nicht eine andere Person, sondern ein Objekt. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Objektophilie - eine Liebe und Anziehung zu Gegenständen. Doch was steckt eigentlich dahinter?
Was ist Objektophilie?
Die meisten von uns verlieben sich in andere Menschen beziehungsweise werden durch andere Menschen sexuell erregt. Es gibt aber auch Menschen mit Objektophilie bzw. Objektsexualismus: Diese verlieben sich in Gegenstände und/oder werden sexuell durch Gegenstände erregt. Dementsprechend ist Objektophilie eine sexuelle Orientierung oder Paraphilie, bei der eine Person romantische und/oder sexuelle Gefühle für unbelebte Objekte entwickelt. Diese Objekte können alles Mögliche sein, von Gebäuden über Fahrzeuge bis hin zu alltäglichen Gegenständen wie Möbeln.
Menschen mit Objektophilie können glauben, dass diese Objekte eine Persönlichkeit, ein Bewusstsein oder eine Seele haben, und entwickeln oft tiefe emotionale Bindungen zu ihnen. Sie sehen ihre Beziehungen zu diesen Objekten als genauso real und bedeutungsvoll wie zwischenmenschliche Beziehungen.
Objektophilie ist ein seltenes Phänomen, über das wir kaum Forschung haben. Manche gehen eine Beziehung mit dem Objekt ein, andere nutzen es ausschließlich für Sex. Manche Forschenden stufen die Objektophilie als sexuelle Orientierung ein, andere nicht. Kurzgesagt: Wir tappen im Dunkeln.
Ist Objektophilie ein Fetisch?
Grundsätzlich ist die Objektophilie kein Fetisch, denn es gibt wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Konzepten. Der Fetischismus ist eine sexuelle Paraphilie, bei der eine Person durch spezifische unbelebte Objekte oder bestimmte nicht-genitale Körperteile erregt wird. Diese Objekte oder Körperteile sind oft notwendig für die sexuelle Befriedigung der betroffenen Person. Typische Fetische können Schuhe, Strümpfe, Leder oder Füße sein. Der Fokus liegt hierbei auf der sexuellen Erregung durch das Objekt, nicht unbedingt auf einer emotionalen Bindung.
Bei der Objektophilie hingegen geht über die reine sexuelle Erregung hinaus. Menschen mit Objektsexualismus entwickeln tiefe emotionale und oft romantische Bindungen zu unbelebten Objekten. Sie sehen diese Objekte als Partner, mit denen sie eine echte Beziehung führen können. Es ist nicht nur die physische oder sexuelle Anziehung, sondern eine umfassende emotionale Verbundenheit, die im Mittelpunkt steht.
Ursachen der Objektophilie
Die genauen Ursachen der Objektophilie sind noch nicht vollständig verstanden. Es gibt verschiedene Theorien, die von Kindheitstraumata über neurodiverse Entwicklungsbedingungen bis hin zu besonderen Formen der Sinnesverarbeitung reichen. Eine Theorie besagt, dass Objektophilie eine Form des Anthropomorphismus sein könnte, bei der Menschen unbelebten Objekten menschliche Eigenschaften zuschreiben. Eine andere Theorie stellt einen möglichen Zusammenhang mit dem Asperger-Syndrom oder Autismus dar, was jedoch weitere Forschung erfordert.
Einzelne Forschende haben sich mit diesem Thema beschäftigt und Menschen mit Objektophilie / Objektsexualismus befragt. Demnach sind Objektophile auch keine homogene Gruppe, es gibt ja auch nicht „die Heteros“ oder „die Frauen“. Wir sind individuell. Jedoch gibt es mehrheitliche Aussagen in diesen Befragungen, die die meisten objektophilen Menschen teilen. Am häufigsten wird berichtet, dass Menschen mit Objektophilie nicht ernst genommen werden. Sie werden als sonderbar, krank, unnormal hingestellt, weil wir anderen es uns kaum vorstellen können, was in ihnen vor sich geht. Die soziale Akzeptanz fehlt und deshalb isolieren sich manche Objektophile und ziehen sich zurück. Zudem wünschen sich viele Objektophile die Akzeptanz, dass ihre Vorliebe kein Fetisch ist.
Psychologische Perspektive
Objektophilie wird nicht als psychische Störung im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-5) klassifiziert, obwohl sie als eine Form der Paraphilie gilt. Eine Paraphilie wird nur dann als Störung eingestuft, wenn sie erheblichen Stress oder Beeinträchtigungen im Leben der betroffenen Person verursacht oder illegale Aktivitäten umfasst. Es ist wichtig, Objektophilie mit Sensibilität und Respekt zu betrachten, um Stigmatisierung und Missverständnisse zu vermeiden.
Leben mit Objektophilie
Für viele Objektophile sind ihre Beziehungen zu den Objekten erfüllend und bedeutungsvoll. Sie geben ihren Objekten oft Namen und behandeln sie mit großer Sorgfalt und Zuneigung. Dem Objekt werden Eigenschaften zugeschrieben, die wir sonst zur Beschreibung von Menschen nutzen würden. Hier spielt der Animismus eine wichtige Rolle, der Glaube daran, dass auch unbelebte Gegenstände eine Seele besäßen.
Die wenigen Berichte von Objektophilen, die wir haben, beinhalten in der Regel, dass sie den Eindruck haben, mit dem geliebten Objekt kommunizieren zu können. Natürlich ist hiermit nicht unsere verbale Sprache gemeint, sondern ein Eindruck, der entsteht, ein Gefühl, das vermittelt wird. Es gibt einzelne Fallbeispiele, in denen Betroffene berichten, dass sie wüssten, dass ihr begehrtes Objekt sie auch liebt. Objektophile möchten oder gehen aber eine romantische Beziehung mit den Gegenständen ein. Manche sehen sich auch in einer lebenslangen, monogamen Beziehung mit „ihrem“ Objekt.
Bekannte Beispiele: Diese Personen haben Objektophilie
Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer
Eine der bekanntesten Objektophilen ist Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer aus Schweden. Sie heiratete 1979 die Berliner Mauer in einer nicht offiziell anerkannten Zeremonie. Eklöf-Berliner-Mauer behauptete, eine tiefe emotionale und sexuelle Verbindung zu der Mauer zu haben und trauerte nach deren Fall wie eine Witwe.
Erika Eiffel
Erika Eiffel, eine Amerikanerin, heiratete 2007 den Eiffelturm. Ihre Beziehung zum Eiffelturm erregte internationales Aufsehen. Sie gründete die Webseite "Objectum Sexuality Internationale", um Aufklärung und Unterstützung für Objektophile zu bieten. Sie beschreibt ihre Beziehung zum Eiffelturm als tief und bedeutungsvoll.
Edward Smith
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist Edward Smith, ein Brite, der in einer romantischen und sexuellen Beziehung zu seinem weißen Volkswagen Beetle, den er "Vanilla" nennt, steht. Smith verbringt viel Zeit mit seinem Auto und bezeichnet es als seine große Liebe.
Amanda Liberty
Amanda Liberty aus Großbritannien ist eine weitere Person, die offen über ihre Objektophilie spricht. Sie verlobte sich mit einem Kronleuchter namens "Lumiere" und beschreibt ihre Beziehung als erfüllend und liebevoll. Amanda empfindet eine tiefe emotionale Verbindung zu ihrem Kronleuchter und glaubt, dass Lumiere eine eigene Persönlichkeit hat.
Fazit: Objektophilie und die Facetten der Liebe
Objektophilie ist eine seltene und oft missverstandene sexuelle Orientierung. Menschen, die davon betroffen sind, erleben echte und tiefe emotionale Bindungen zu unbelebten Objekten. Während die Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind, bieten diese Beziehungen den Betroffenen häufig Trost und Erfüllung. Es ist wichtig, diese Orientierung mit Respekt und ohne Vorurteile zu betrachten, um das Verständnis und die Akzeptanz zu fördern.