Homosexualität erklärt
Wohl jede nicht-heterosexuelle Person kennt diese Frage: Wieso bist Du queer, schwul, lesbisch, bi, trans oder, oder, oder? Die Antwort darauf fällt oft schwer – ja, wieso ist man so und nicht heterosexuell, wie der Großteil der Gesellschaft? “Ich bin halt so, ich wurde so geboren”, kann man antworten. Oder: “Wieso bist Du hetero?”
Es gibt mehrere Theorien, woher das Wort “schwul” eigentlich kommt. Im Niederdeutschen wurde schwul wie heute das Wort schwül benutzt: Es bedeutete, dass es drückend warm oder heiß ist. Im 19. Jahrhundert soll dann schwul in Berlin als Bezeichnung für Homosexualität benutzt worden sein: Der Gebrauch des Wortes soll sich von “warmer Bruder” abgeleitet haben.
Homosexualität: Gleichgeschlechtliche Anziehung
Wer homosexuell ist, fühlt sich zu seinem eigenen Geschlecht hingezogen. Männer fühlen sich also romantisch und sexuell von Männern angezogen und Frauen von Frauen. Auch für Menschen, die trans sind, gilt diese Definition. Eine Transfrau ist lesbisch, wenn sie auf Frauen steht und ein Transmann ist schwul, wenn er auf Männer steht.
Du siehst: Je nachdem, ob von Männern oder von Frauen die Rede ist, gibt es weitere Bezeichnungen. Eine homosexuelle Frau ist lesbisch, ein homosexueller Mann ist schwul. Der Begriff „homosexuell“ kommt aus dem Griechischen. Hier bedeutet „homós“ so viel wie gleich. Übersetzen lässt sich homosexuell also mit gleichgeschlechtlich oder „das gleiche Geschlecht liebend“.
# Schon gewusst?
Es gibt Menschen, die auf das eigene Geschlecht stehen und sich trotzdem nicht als homosexuell bezeichnen. Was wir damit meinen? Auch bisexuelle Menschen stehen auf das eigene Geschlecht - aber eben auch auf andere. Nur weil jemand in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ist, kannst Du daraus also nicht schließen, dass jemand homosexuell ist!
Homosexualität in unserer Gesellschaft
Gesellschaftlich gilt Homosexualität bei manchen Menschen leider immer noch als Tabu. Im Jahr 1994 wurde der Paragraf 175 StGB, der gleichgeschlechtliche Liebe oder sexuelle Handlungen unter Strafe stellte, abgeschafft. Trotzdem gilt „schwul“ oder “gay” auf Schulhöfen noch immer als Beleidigung und viele Eltern unterstützen es nicht, wenn ihre Kinder sich vor ihnen outen.
Auch in verschiedenen Berufsfeldern ist es ein Tabu-Thema, homosexuell zu sein. Während weibliche Fußballerinnen offen zu ihrer Sexualität stehen können, gilt es unter den männlichen Fußballern als Unding, schwul zu sein. Verschiedene Verbände und Vereine kämpfen nach wie vor mit aller Kraft dafür, Homosexualität aus dieser negativen Ecke herauszuholen und Gleichberechtigung zu erzielen. An dieser Stelle beziehen wir Stellung und sagen: Das geht gar nicht, Liebe sollte kein Kampf sein!
Seit 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland endlich auf dem Standesamt heiraten, wie es auch heterosexuelle Paare können. Das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare erschwert es allerdings immer noch, gemeinsam Kinder großzuziehen.
In anderen Ländern steht Homosexualität noch immer unter Strafe. Erst vor wenigen Jahren trat in Russland das sogenannte Homosexuellen-Propagandagesetz in Kraft, das sogar das Händchenhalten für Menschen gleichen Geschlechts in der Öffentlichkeit verbietet. Menschenrechtsorganisationen kämpfen deshalb unentwegt für die Rechte von Homosexuellen in Russland und anderen Ländern.
Auch wenn es in manchen Ländern leider noch ein bisschen Zeit braucht, bis Homosexualität akzeptiert wird, sagen wir: Die Liebe zwischen homosexuellen Menschen ist genau dasselbe, wie die Liebe zwischen heterosexuellen Menschen. Es macht keinen Unterschied, wen wir lieben, solange wir glücklich sind!
Aber woher kommt die Homosexualität?
Die Frage, wieso Menschen nicht heterosexuell sind, beschäftigt die Wissenschaft laut “Planet Wissen” bereits seit dem 19. Jahrhundert. Der Wissenschaftler Karl Heinrich Ulrichs entwickelte als einer der Ersten eine Theorie dazu: Er ging davon aus, dass schwule Männer eine weibliche Seele hätten, aber im Körper eines Mannes geboren wurden. Damit wollte er die Liebe zwischen zwei Männern erklären und schuf ein “drittes Geschlecht”. Heute würde man ihn wahrscheinlich sofort canceln, weil das sehr diskriminierend ist, alter weißer Mann. Ulrichs soll Homosexualität allerdings nicht als Krankheit, sondern als angeboren gesehen haben. Für seine Zeit war das fortschrittlich.
Homosexualität ist natürlich
Diese Theorie wurde von einigen Wissenschaftler:innen weiter verfolgt. Der Konsens: Homosexualität sollte nicht bestraft werden, da sie natürlich ist. So dachte auch der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud. Er ging davon aus, dass die hetero- oder homosexuelle Identität in der Kindheit geprägt wird. Er setze sich stark gegen eine Pathologisierung von Homosexualität ein. Freud ging sogar noch weiter und sah jeden Menschen als bisexuell an, die auf einer Skala fungierten: Die einen seien gleichgeschlechtlichem Sex geneigter als andere.
Freud versuchte Homosexualität allerdings so zu erklären: Wenn zum Beispiel ein Vater abwesend war, sei die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Sohn schwul würde. Die Lücke, die der Vater hinterließ, soll der Sohn laut Freud mit einem männlichen Partner zu füllen versuchen. Es gibt allerdings sehr viele schwule Männer, die ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater haben – viele von Freuds Thesen gelten heute als überholt.
Homosexualität: Genetische Ursachen sind bisher nicht belegt
Weiter wurde die Theorie um das sogenannte “Schwulen-Gen” aufgestellt. Der Amerikaner Dean Hammer glaubte dieses im Jahr 1993 entdeckt zu haben und eine Abweichung des X-Chromosoms festzustellen. Forscher:innen konnten diese These jedoch nicht bestätigen – das “Schwulen-Gen” bleibt weiterhin eine Theorie.
Allerdings fand der amerikanische Wissenschaftler Brian Mustanski heraus, dass das Erbgut auf Chromosomen bei homosexuellen Brüdern übereinstimmt. Davon seien jedoch nicht die Geschlechts-Chromosomen betroffen. Mustanski stellte jedoch fest, dass die Sexualität zumindest zu einem Anteil von DNS-Abschnitten mitbestimmt wird.
2019 kam eine weitere Studie heraus, an der knapp 500.000 Menschen teilnahmen. Die Forschenden kamen allerdings zu dem Schluss, dass die Gene einen schwindend geringen Einfluss auf die sexuelle Orientierung einer Person haben. Sogar fast null.
Heute wird nicht mehr nur eine Prägung als ausschlaggebend für die sexuelle Orientierung gesehen. Die Queer-Theorie sieht zum Beispiel das kulturelle und soziale Umfeld als ausschlaggebend, nicht die biologischen Erbanlagen. Andere Forscher:innen gehen davon aus, dass nicht nur Gene sondern auch vorgeburtliche Faktoren eine Rolle spielen. Fassen wir es kurz zusammen: Es ist kompliziert.
Muss es wirklich eine Ursache für Homosexualität geben?
Denn wieso genau Menschen nun homosexuell sind oder nicht, kann bis heute niemand beantworten. Wir wissen nur so viel: Bei 1500 Tierarten tritt Homosexualität auf und Menschen sind homosexuell, seitdem es Menschen gibt. Vielleicht stellt sich die Frage nach dem Wieso auch gar nicht. Vielleicht müssen wir Sexualität und ihre Herkunft gar nicht erklären und verstehen. Wieso jemand heterosexuell ist, fragt auch niemand. Vielleicht müssen wir Sexualität einfach nur akzeptieren und zelebrieren, egal ob homo, bi, queer oder hetero. Sie ist schön und offensichtlich natürlich – wieso also nicht frei und glücklich damit sein, statt sich den (Wissenschaftler:innen-)Kopf zu zerbrechen?
10 bekannte Menschen, die sich als homosexuell geoutet haben
#1: JOCHEN SCHROPP
Der bekannte Moderator hat sich 2018 im Stern offen als schwul geoutet. Aufgrund der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Homosexuellen habe er sein Coming Out herausgezögert und sich nicht eher getraut. Mit fast 40 Jahren hat er dann einen offenen Brief geschrieben, den der Stern abgedruckt hat.
#2: KARIN HANCZEWSKI
Die deutsche Schauspielerin und „Tatort“-Kommissarin hat sich Anfang 2021 im Rahmen der #actout-Kampagne im Magazin der Süddeutschen Zeitung als lesbisch geoutet. Sie kritisierte in der Kampagne den Umgang mit Homosexualität, im Filmbusiness in Deutschland.
#3: THOMAS HITZLSPERGER
Der ehemalige Fußballer und Nationalspieler hat sich kurz nach seinem Karriere-Ende offen als schwul geoutet. Dabei merkte er an, dass es viele Profi-Fußballer gebe, die homo- oder bisexuell seien, sich aber nicht trauen würden, offen dazu zu stehen.
#4: GUIDO MARIA KRETSCHMER
Der Modedesigner lebt schon seit jeher offen schwul. Mit seinem Mann Frank Mutters ist er seit 30 Jahren liiert. Er gehört zu den Prominenten in Deutschland, die besonders selbstverständlich mit ihrer Sexualität umgehen.
#5: JIM PARSONS
Der US-amerikanische Schauspieler ist vor allem für seine Rolle als „Sheldon Cooper“ in der Sitcom „The Big Bang Theory“ bekannt. Er lebt offen schwul und ist seit 2007 verheiratet.
#6: HELLA VON SINNEN
Die deutsche Moderatorin und Komikerin gehört zu den Vorreitern der deutschen Homosexuellen-Bewegung. Sie lebt bereits seit Anfang der 1990er-Jahre offen lesbisch und engagierte sich immer wieder für die Rechte der LGBTQIA*-Menschen.
#8: KLAUS WOWEREIT
Das Coming Out des ehemaligen Berliner Bürgermeisters ist vielen Menschen im Gedächtnis geblieben. „Ich bin schwul und das ist auch gut so“ sagte Klaus Wowereit am 10. Juni 2001 vor allen Delegierten des SPD-Sonderparteitags. Er wurde daraufhin von Parteikolleg:innen, der Presse und der Öffentlichkeit bejubelt.
#9: HAPE KERKELING
Der deutsche Komiker outete sich nicht selbst. Wusstest Du, dass man von einem „Coming Out“ spricht, wenn sich die Person selbstbestimmt outet und von einem „Outing“, wenn es unfreiwillig durch andere passiert? Hape Kerkeling wurde 1991 von Rosa von Praunheim im Fernsehen geoutet.
#10: CYNTHIA NIXON
Die US-amerikanische Schauspielerin ist mit ihrer Rolle der Miranda in der Serie „Sex and the City“ bekannt geworden. Dort spielte sie eine zynische New Yorkerin auf der Suche nach dem richtigen Mann. Im echten Leben ist Cynthia Nixon lesbisch.
# Über den Autor
Sebastian Goddemeier ist Autor, Journalist und Sprecher und EIS-Experte für queere Themen. Zum Autorenprofil.
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