Was ist heterosexuell?
Sexuelle Anziehung zwischen Mann und Frau
Mit dem Begriff heterosexuell bezeichnet man die am häufigsten auftretende sexuelle Orientierung, bei der es um Liebe und Sex zwischen einem Mann und einer Frau geht. Doch woher kommt der Begriff heterosexuell? Und ist diese Form der sexuellen Orientierung wirklich das Maß aller Dinge? Wir verraten es Dir!
Was bedeutet heterosexuell?
Heterosexualität ist eine von drei sehr häufig vorkommenden sexuellen Orientierungen, zu denen noch die Homosexualität und die Bisexualität gehören. Natürlich gibt es noch einige andere Formen der sexuellen Anziehung, beispielsweise die sogenannte Pansexualität oder die Asexualität. Doch diese sexuellen Orientierungen kommen statistisch gesehen seltener vor als die Heterosexualität.
Das Wort heterosexuell setzt sich aus zwei griechischen Wörtern zusammen. “Heteros” bedeutet so viel wie “ungleich” und “sexus” bedeutet “Geschlecht”. Wer heterosexuell ist, fühlt sich also vom anderen Geschlecht angezogen. Hierzu zählen Männer, die auf Frauen stehen, genauso wie Frauen, die sich von Männern angezogen fühlen.
Der Begriffe heterosexuell bezieht sich nicht nur auf das sexuelle Begehren, sondern auch auf Liebe und Beziehung an sich. Heterosexuelle Menschen sind auf emotionaler und sexueller Ebene ausschließlich dem anderen Geschlecht zugetan. An sexuellen oder romantischen Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht sind heterosexuelle Menschen nicht interessiert.
Schon gewusst? Auch trans* Menschen können heterosexuell sein. Denn trans* bezieht sich nur auf die Geschlechtsidentität, nicht auf die sexuelle Orientierung. Steht eine trans* Frau ausschließlich auf Männer oder ein trans* Mann auf Frauen, ist auch hier die Rede von Heterosexualität.
Heterosexualität = Normal?
Was verleitet uns eigentlich zu der Annahme, dass es sich bei Heterosexualität um den Normalzustand handelt? Nur weil etwas häufiger vorkommt, bedeutet das nicht, dass es normaler ist als andere Ausprägungsformen.
Innerhalb der Evolution hat sich die Heterosexualität vermutlich durchgesetzt, weil sie die Fortpflanzung der Menschen sicherstellt. Doch auch bisexuelle Menschen können beim gegengeschlechtlichen Geschlechtsverkehr Kinder zeugen – diese Logik hat also Lücken.
Zudem geht es bei Sexualität um wesentlich mehr als nur um die eigene Vermehrung. Sexuelle Anziehung, Lust, Liebe und Emotionen spielen ebenso eine Rolle.
Dass Heterosexualität als die Norm gilt, liegt hauptsächlich daran, dass der Großteil der Erwachsenen sich als heterosexuell identifiziert. Anstatt davon zu sprechen, dass Heterosexualität “normaler” ist als andere sexuelle Orientierungen, ergibt es daher Sinn, eher von der Häufigkeit zu sprechen. Denn bei Urteilen über normal und unnormal schwingt oft auch eine unterschwellige Wertung mit. Das hat auch leider dazu geführt, dass andere (nicht heterosexuelle) Orientierungen häufig in der Gesellschaft diskriminiert wurden – und immer noch werden.
Heteronormativität: Was ist das?
Das Phänomen, dass Heterosexualität als die Norm vorausgesetzt wird, trägt sogar einen eigenen Namen: Heteronormativität. Gemeint ist damit, dass wir alle in einer Gesellschaft aufwachsen, in der Heterosexualität sehr viel sichtbarer ist als andere Orientierungen der LGBTQ-Community.
Das beginnt bereits im Kindesalter mit Spielen wie “Vater-Mutter-Kind" und wird durch einseitige heteronormative Darstellungen in den Medien immer weiter verstärkt. Zwar nimmt die queere Repräsentation stetig zu, dennoch dominieren heterosexuelle Rom-Coms (engl. für romantische Komödien) noch immer den Markt und queere Geschichten bleiben unsichtbar.
Die Konsequenz: Viele Menschen – selbst diejenigen, die queer sind – verinnerlichen, dass Heterosexualität normal ist. Alles andere scheint dann unnormal. Das kann Outings (z.B. als homosexuell oder bisexuell) sehr schwierig gestalten und für Diskriminierung sorgen. Wäre es nicht schön, wenn sich keiner mehr outen müsste, sondern jeder einfach die Person lieben könnte, die er:sie will?
Gibt es Heterosexualität eigentlich gar nicht?
Zugegeben, die Frage, ob es Heterosexualität vielleicht gar nicht gibt, wirkt provokativ. Doch Studien haben aufgezeigt, dass die Übergänge zwischen den sexuellen Orientierungen tatsächlich fließend sind. Somit kann man nicht ganz klar zwischen heterosexuell und homosexuell unterscheiden. Alle Menschen sind prinzipiell fähig, Menschen des gleichen oder des anderen Geschlechts zu lieben. Die Tendenz dazu kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und auch im Verlauf des Lebens variieren.
Deshalb ist auch oft die Rede davon, dass es sich bei der sexuellen Orientierung um ein Spektrum handelt. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, sondern einen ganzen Regenbogen dazwischen. Denn manchmal reicht eine Begegnung mit einem besonderen Menschen, um die Vorstellung der eigenen sexuellen Orientierung auf den Kopf zu stellen. Denn Liebe lässt sich von Labeln nicht aufhalten.
Studien zu heterosexueller Anziehung
Du kennst doch sicher den alten Spruch „Ein bisschen bi schadet nie“? Wissenschaftliche Untersuchungen scheinen zu bestätigen, dass reine Heterosexualität eher selten ist. Forscher:innen wollen herausgefunden haben, dass fast alle heterosexuellen Menschen im Grunde auch bisexuelle Tendenzen verspüren.
Bei den Untersuchungen sind dir Wissenschaftler:innen wie folgt vorgegangen: Sie zeigten den Proband:innen Bilder, auf denen sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Handlungen zu sehen waren. Das Ergebnis war äußerst überraschend, denn beide Varianten wurden von den Teilnehmern als (körperlich) anregend empfunden.
Das lässt erstmals eine ganz andere Sicht auf die sexuelle Orientierung der Menschen zu. Bisher mussten sich Befragte immer selbst einschätzen, wobei die Normen der Gesellschaft und die soziale Erwünschtheit wahrscheinlich unbewusst im Vordergrund standen. Viele Menschen labeln ihre sexuelle Orientierung auch nach tatsächlich gesammelten sexuellen Erfahrungen und nicht danach, was sie theoretisch anziehend finden würden.
Die neue Studie fasste allerdings die körperlichen Reaktionen in den Blick. Genauer gesagt wurde untersucht, ob sich die Pupillen beim Anblick der Bilder weiten oder nicht. Hierbei wurden geweitete Pupillen als Zeichen für sexuelle Erregung interpretiert. Das Ergebiss zeigt, dass sowohl Männer als auch Frauen, die sich selbst als heterosexuell bezeichnen, auch eine Pupillenerweiterung bei homosexuellen Handlungen zeigen. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass dies bedeutet, dass auch diese Handlungen als anziehend und erregend wahrgenommen werden.
Nun ist es das eine von erotischem Bildmaterial erregt zu werden und etwas anderes, diese Handlungen auch für sich selbst in Betracht zu ziehen. Man kann aus diesen Ergebnissen nicht schließen, dass diese Personen in der Realität auch wirklich Sex mit gleichgeschlechtlichen Partner:innen haben würden – aber es zeigt eben auch, dass viele Menschen vielleicht nicht so heterosexuell sind, wie sie selbst annehmen.
Heterosexuell als ein Ende des Spektrums
Auch wenn Heterosexualität immer noch als Standard gilt oder für die Normalität gehalten wird, ist Sexualität vor allem eins: Vielfältig! Dabei zeigt sich ein vielfältiges Spektrum zwischen Hetero- und Homosexualität und sogar Anziehungen wie die Asexualität, die sogar jenseits dieses Spektrum liegen.
Typisches Rollendenken dürfte sich in Zukunft noch weiter auflösen, und das ist auch gut so. Am Ende kommt es nämlich nicht darauf an, welcher sexuellen Orientierung Ihr Euch zugehörig fühlt, sondern darauf, dass Ihr Euch liebt. Also labelt Euch doch einfach mit den Bezeichnungen, mit denen Ihr euch wohlfühlt!