Nicht binär: Geschlechtsidentität erklärt
Nicht binär: Mehr als nur „männlich“ oder „weiblich“
Zwischen „männlich“ und „weiblich“ gibt es ein ganzes Spektrum an Identitäten, die nicht immer in klassische Schubladen passen. Eine davon ist die nicht binäre Geschlechtsidentität, die für Menschen steht, die sich weder (eindeutig) als Mann noch als Frau identifizieren – oder vielleicht auch als beides zugleich. Was es bedeutet, non-binary zu sein und viele weiteren spannende Fakten rund um genderqueere Identitäten, liest Du in diesem Artikel.
Was bedeutet nicht binär sein?
Nicht binär zu sein bedeutet, dass sich eine Person weder (ganz) männlich, noch (ganz) weiblich fühlt. Binär bezieht sich in diesem Fall auf die Einteilung von Geschlecht in die zwei Gruppen „weiblich“ und „männlich“. Nicht binäre Menschen fühlen sich durch diese Zweiteilung nicht repräsentiert und vereinen entweder Aspekte beider Geschlechter in sich oder beschreiben ihre Geschlechtsidentität als komplett losgelöst von der traditionellen Einteilung in Mann und Frau.
Nicht binär zählt zu den genderqueeren Geschlechtsidentitäten, also Geschlechtsempfindungen, die nicht cisgeschlechtlich sind. Zur Info: Cis bedeutet, dass sich ein Mensch mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht wohlfühlt. Nicht binäre Menschen werden bei ihrer Geburt oft anhand ihrer Genitalien einem binären Geschlecht zugewiesen (Babys mit Penis erhalten den Geschlechtseintrag männlich, Babys mit Vulva und Vagina erhalten den weiblichen Geschlechtseintrag). Das Outing als nicht binär findet dann oft in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter statt.
Im Englischen ist diese Geschlechtsidentität unter dem Begriff non binary bekannt, der sich auch im Deutschen Sprachgebrauch immer mehr durchsetzt. In Anlehnung daran gibt es auch das Deutsche Synonym non-binär, welches einfach eine eingedeutschte Version der englischen Schreibweise ist. Als Abkürzung hat sich zudem die Schreibweise „enby“ oder „nb“ durchgesetzt.
Viele sehen nicht binär auch als eine Art Sammelbegriff für viele genderqueere Identitäten. Dazu zählen beispielsweise:
Nicht binär und divers: Unterschied erklärt
Nicht binär und divers werden oft synonym verwendet, meinen aber nicht dasselbe. Nicht binär beschreibt eine Geschlechtsidentität, die sich außerhalb der klassischen Kategorien „männlich“ und „weiblich“ bewegt. Nicht binäre Menschen empfinden ihr Geschlecht oft als etwas Fließendes oder als jenseits der gewohnten Geschlechterrollen.
Divers hingegen ist ein rechtlicher Begriff, der in offiziellen Dokumenten – wie Ausweispapieren oder amtlichen Formularen – als dritte Option neben „männlich“ und „weiblich“ geführt wird. Der diverse Geschlechtseintragt steht dabei nicht nur nicht binären Menschen zur Verfügung, sondern auch intergeschlechtlichen Personen und trans* Menschen.
„Divers“ steht also vor allem für eine (rechtliche) Kategorie, während „nicht binär“ eine individuelle Geschlechtsidentität beschreibt.
# Gut zu wissen
Trans*, inter* und nicht binär beschreiben jeweils unterschiedliche Facetten der Geschlechtlichkeit. Sie können zusammenhängen – müssen es aber nicht. So können sich intergeschlechtliche Menschen beispielsweise als nicht binär identifizieren, aber ebenso gut auch eine andere Geschlechtsidentität als passender empfinden.
Wie sehen nicht binäre Menschen aus?
Es gibt nicht das eine nicht binäre Aussehen. Genauso wie nicht alle Männer und Frauen ihr Geschlechtsempfinden auf genau dieselbe Art und Weise ausdrücken, gibt es auch ganz unterschiedliche Facetten des nicht binären Auftretens.
Menschen die sich fragen, wie nicht binäre Menschen aussehen, meinen damit oft auch die Genitalien. An dieser Stelle wollen wir anmerken, dass die Fragen nach den Genitalien einer Person eine sehr private Angelegenheit ist. Frage Dich am besten mal selbst, in welchen Kontexten Du Dich damit wohlfühlen würdest, wenn Dich eine andere Person ganz direkt darauf anspricht, wie Deine Vulva eigentlich so aussieht oder wie Dein Penis beschaffen ist.
Wir wollen an dieser Stelle aber natürlich auch aufklären und verraten Dir deshalb: Nicht binäre Menschen können alle Genitalien haben! Egal ob eine Person mit Penis, Vagina oder Klitenis geboren ist: Die Geschlechtsidentität entwickelt sich ganz unabhängig von körperlichen Merkmalen. Nicht binäre Köper sind daher genauso vielfältig, wie das Menschsein an sich.
Und auch im Hinblick auf Style und Auftreten lassen sich non-binäre Personen nicht in eine Schublade pressen. Nicht binäre Menschen schulden der Gesellschaft weder ein besonders gendernonkonformes Auftreten noch das Nacheifern bestimmter Geschlechtsstereotype. Sie können lange Haare haben, sich eine Glatze rasieren, Bart tragen oder alle Körperhaare entfernen. Anhand des Aussehens kannst Du deshalb nicht erkennen, ob ein Mensch nicht binär ist. Was stattdessen Auskunft gibt? Nur die Selbstauskunft einer Person (wenn sie das denn mit Dir teilen möchte).
Nicht binär und Geschlechtsangleichung: Muss das sein?
Im Kontext von nicht binären Aussehen wird auch oft die Frage in den Raum geworfen, ob nicht binäre Menschen sich auch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen und hormonellen Behandlungen sehnen. Vielleicht ahnst Du die Antwort hierauf nun schon: Es kommt drauf an!
Stimmen Körpermerkmale nicht mit dem empfundenen Geschlecht überein, kann es zu Körperdysphorie kommen – das bedeutet, dass sich eine Person unwohl mit bestimmten Teilen des Körper fühlt und diese gerne verändern möchte. So entscheiden sich manche nicht binäre Personen mit einer großen Oberweite beispielsweise für eine Brustverkleinerung oder eine Mastektomie (Entfernung der Brust), um ihren Körper an ihr empfundenes Geschlecht anzupassen. Andere nehmen Hormone ein, um Stimme, Haarwachstum und andere Körperlichkeit zu verändern.
Viele nicht binäre Menschen entscheiden sich aber auch ganz gezielt gegen solche Maßnahmen. Sie fühlen sich entweder so, wie sie sind, wohl in ihrem Körper oder wollen die Risiken und Nebenwirkungen von Operationen und Hormonbehandlungen nicht auf sich nehmen. Auch hier gilt: Eine Person muss keine körperliche Transition anstreben, damit die nicht binäre Geschlechtsidentität valide ist. Wer sich nicht binär fühlt, ist nicht binär. Egal in welchem Körper diese Person steckt.
Woran merkt man, dass man nicht binär ist?
Herauszufinden, ob man nicht binär ist, kann eine spannende, aber auch herausfordernde Reise sein. Viele nicht binäre Menschen beschreiben das Gefühl, dass sie in die klassischen Kategorien von „männlich“ oder „weiblich“ nicht richtig hineinpassen. Einige erinnern sich schon an frühe Kindheitserinnerungen, in welchen sie sich genderqueer gefühlt haben, andere bemerken das eigene nicht binär Sein erst im hohe Erwachsenalter.
Wenn Du Dir unsicher bist und überlegst, ob Du Dich außerhalb der binären Geschlechter einordnest, könnten Dir folgende Anzeichen helfen, mehr Klarheit zu gewinnen:
Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ bei der Frage, ob man nicht binär ist. Wichtig ist nur, dass Du herausfindest, was für Dich stimmig und authentisch ist. Oft hilft es auch, Bücher von nicht binären Autor:innen zu lesen und genderqueeren Menschen auf Social Media zu folgen. Hier fühlst Du Dich möglicherweise gesehen und findest einen besseren Zugang zu deiner non-binären Geschlechtsidentität.
Welche sexuelle Orientierung haben nicht binäre Menschen?
Nicht binär ist keine sexuelle Orientierung, sondern eine Geschlechtsidentität. Es geht darum, wie eine Person ihr eigenes Geschlecht empfindet, nicht darum, von welchen Geschlechtern sich die Person sexuell oder romantisch angezogen fühlt. Deshalb haben auch nicht alle non- binären Menschen die gleiche sexuelle Orientierung.
Es gibt ebenso nicht binäre Menschen, die sich als heterosexuell oder homosexuell bezeichnen wie auch non-binäre Personen, die bisexuell oder pansexuell sind. Manche bezeichnen ihre sexuelle Orientierung auch einfach als queer um auszudrücken, dass sie sich (auch) von nicht-heterosexuellen nicht-cisgeschlechtlichen Menschen angezogen fühlen.
Und nicht vergessen: Nicht alle Menschen verspüren überhaupt eine sexuelle und/oder romantische Anziehung zu anderen. Menschen, die kein sexuelles Interesse verspüren, tragen das Label asexuell. Und es gibt durchaus auch nicht binäre Personen, die zeitgleich asexuell oder aromantisch sind!
Auch hier greifen unser Schubladendenken oft zu kurz. Mann/Frau und hetero/homo: Diese binären Einteilungen werden der Lebensrealität vieler Menschen einfach nicht mehr gerecht. Und ist es nicht ohnehin viel schöner, Anziehung und Lust auf Nähe davon abhängig zu machen, wie wohl man sich mit seinem Gegenüber fühlt, anstatt von irgendwelchen starren Geschlechterkonzepten?
Nicht binäre Pronomen: So sprichst Du über nicht binäre Personen
Der respektvolle Umgang mit nicht binären Pronomen ist ein wichtiger Schritt, um Menschen in ihrer Identität anzuerkennen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie gesehen und geschätzt werden. Nicht binäre Personen verwenden oft geschlechtsneutrale Pronomen, die weder „er“ noch „sie“ sind.
Im Englischen ist das Pronomen „they/them“ gebräuchlich, das auch für einzelne Personen geschlechtsneutral genutzt wird. Das deutsche Pronomen „es“ verwenden nicht binären Menschen in der Regel nicht, weil es in der deutschen Sprache nur für Gegenstände und Tiere zum Einsatz kommt und daher als abwertend und objektifizierend gilt.
Stattdessen gibt es auch im Deutschen mittlerweile neutrale Pronomen wie „sie*er“, „xier“ oder „sier“. Diese werden auch als Neopronomen bezeichnet, da es sich um Wortneuschöpfungen handelt. Andere benutzen auch im Deutschen einfach das englische Pronomen „they/them“ oder greifen auf die eingedeutschte Variante „dey/deren“ zurück. Ein Beispiel gefällig? „Kim ist nicht binäre. Dey sagt, dass deren Pronomen dey/deren sind.“
Manche nicht binäre Menschen bevorzugen eher Pronomen-Kombinationen oder wechseln je nach Situation. Im deutschsprachigen Raum gibt es auch viele non-binäre Menschen, die ganz ohne Pronomen angesprochen werden wollen. Statt Pronomen verwendest Du dann ganz einfach den Namen. Beispielsweise: „Kim ist nicht binär. Kim sagt, dass Kim keine Pronomen verwendet.“
Hier einige Tipps für den richtigen Umgang mit nicht binären Pronomen:
Mit kleinen Gesten, wie der Verwendung der richtigen Pronomen, kannst Du viel bewirken – nämlich zeigen, dass Du bereit bist, andere in ihrer Identität ernst zu nehmen und zu unterstützen.
# Merke
Geschlecht kann man niemand ansehen und falsch angesprochen zu werden kann sehr verletzend sein. Um diese Situationen zu vermeiden, kannst Du Dich selbst immer mit Deinen Pronomen vorstellen und auch bei allen Menschen, die die neu kennenlernst, nach den Pronomen fragen (unabhängig davon, ob Du eine Person genderqueer wahrnimmst, oder nicht!).
Nicht binäre Pride Flagge: Gelb, Weiß, Lila, Schwarz
Nicht binäre Menschen sind Teil der LGBTQ-Community. Vielleicht weißt Du bereits, dass viele queere Identitätsgruppen eigene Pride-Flaggen haben, um mehr Sichtbarkeit zu generieren. Am bekanntesten ist dabei die Regenbogenflagge, die nicht nur am Christopher-Street-Day für die queere Community geschwenkt wird.
Doch es gibt auch für jede einzelne sexuelle Orientierung und für jede queere Geschlechtsidentität eine entsprechende Pride-Flagge. So natürlich auch für die non-binäre Community.
Welche Farben auf der nicht binären Flagge zu sehen sind? Gelb, weiß, lila und schwarz! Die Farben auf Pride-Flaggen haben immer auch Symbolcharakter. So auch in diesem Fall. Beginnen wir mit dem gelben Streifen. Es steht für alle Menschen, die jenseits der zweigeschlechtlichen Norm liegen, da gelb oft als geschlechtsneutrale Farbe angesehen wird.
Weißes Licht enthält alle Farben des sichtbaren Lichtspektrums. Deshalb steht der weiße Streifen symbolisch für Menschen, die sich mit mehreren oder allen Geschlechtern identifizieren. Lila soll allen Menschen, deren Geschlecht eine Mischung aus männlich und weiblich ist, Sichtbarkeit verschaffen sowie Fluidität ausdrücken. Und auch die Menschen, die sich selbst als ganz ohne Geschlecht beschreiben würden, finden durch den schwarzen Balken der nicht binären Pride-Flagge Repräsentation.
Bekannte nicht binäre Personen: Diese Stars sind genderqueer
Wenn Du Dich viel in queeren Kreisen aufhältst, hast Du sicherlich schon einige nicht binäre Personen kennengelernt. Und auch wenn Du persönlich noch keinen Kontakt zu einem non-binären Menschen hattest, kennst Du ja vielleicht einige dieser genderqueeren Stars:
Die öffentliche Sichtbarkeit nicht binärer Stars ist ein wichtiger Schritt für mehr Akzeptanz und Verständnis in der Gesellschaft. Prominente Personen, die sich als nicht binär identifizieren, tragen dazu bei, dass diese Geschlechtsidentität bekannter und greifbarer wird.
Indem sie offen über ihre Erfahrungen sprechen und sich in der Öffentlichkeit zeigen, bieten sie nicht nur Inspiration, sondern auch wertvolle Identifikationsfiguren für Menschen, die sich nicht binär fühlen, aber noch nach Orientierung suchen. Für viele bedeutet das, sich endlich in der Gesellschaft repräsentiert zu fühlen und eigene Identitäten selbstbewusst leben zu können. Sichtbare nicht binäre Persönlichkeiten fördern zudem den Dialog über Vielfalt und Geschlecht und zeigen, dass Gender nicht auf „männlich“ und „weiblich“ beschränkt ist – eine wertvolle Botschaft für alle, die in einer offeneren und inklusiveren Welt leben möchten.
Fazit: Nicht binäre Menschen bereichern das Genderspektrum
Die nicht binäre Geschlechtsidentität zeigt, dass Gender weit mehr ist als nur „männlich“ oder „weiblich“. Für viele Menschen bedeutet „nicht binär“ die Freiheit, ihre Identität authentisch und jenseits traditioneller Geschlechterrollen zu leben.
Sich außerhalb der binären Einteilung zu verorten, ist nicht nur völlig legitim, sondern bereichert auch unser Verständnis von Geschlecht und Individualität. Eine Gesellschaft, die nicht binäre Identitäten anerkennt und respektiert, schafft Raum für Vielfalt und sorgt dafür, dass jeder Mensch so sein kann, wie er, sie oder they sich fühlt. Die Sichtbarkeit und Akzeptanz nicht binärer Menschen hilft uns allen, alte Vorstellungen zu hinterfragen und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, in der jede Person so akzeptiert wird, wie sie wirklich ist.