Bindungstypen Erwachsene
Die Bindungsstile beim Dating
Warum klappt’s bei manchen Menschen wie von selbst mit der Liebe, während andere immer wieder an denselben Problemen scheitern? Die Antwort könnte in Deinem Bindungstyp liegen! Die Bindungstheorie erklärt, wie unsere frühkindlichen Erfahrungen unser Beziehungsverhalten prägen – auch noch als Erwachsene. In diesem Artikel erfährst Du, welche Bindungstypen bei Erwachsenen es gibt, wie sich diese auf Dating und Beziehungen auswirken und warum es nie zu spät ist, an Deiner Bindungskompetenz zu arbeiten.
Was sind Bindungstypen?
Die vier Bindungstypen basieren auf der Bindungstheorie (engl. attachment theory) von Bowlby und Ainsworth. Ursprünglich ging es dabei um die Beziehung zwischen Kindern und ihren Eltern, doch inzwischen ist klar: Die Muster, die wir in der Kindheit lernen, prägen uns auch als Erwachsene – vor allem, wenn es um Liebe und Beziehungen geht.
Ein Beispiel: Wenn Du in einem liebevollen Zuhause aufgewachsen bist und schon früh erfahren hast, dass Deine Bedürfnisse wichtig sind und Du liebenswert bist, dann übernimmst Du diese Überzeugungen meist in Deine romantischen Beziehungen. Aber was passiert, wenn es anders war? Wenn Deine Eltern überfordert waren, wenig auf Dich eingegangen sind oder es an Zuwendung gefehlt hat? Auch das prägt Deine Erwartungen an spätere Partnerschaften – oft ganz unbewusst.
Besonders einschneidend sind Erfahrungen wie der Verlust eines Elternteils oder andere traumatische Erlebnisse. Solche Ereignisse können dazu führen, dass man innerlich glaubt, es sei nicht sicher, andere emotional an sich heranzulassen – aus Angst, wieder verletzt oder verlassen zu werden.
Die Bindungstheorie fasst diese unterschiedlichen Erfahrungen in vier Bindungstypen zusammen. Sie zeigen nicht nur, was wir als Kinder erlebt haben, sondern auch, wie wir als Erwachsene lieben, daten und Beziehungen gestalten.
Diese 4 Bindungstypen gibt es
Bowlby und Ainsworth teilten Kinder anfangs in drei Bindungstypen ein: Sicher, ängstlich und vermeidend. Später kam durch Main und Solomon ein vierter Typ dazu: Der desorganisierte Bindungsstil. Was genau diese vier Bindungstypen ausmacht, verraten wir Dir jetzt.
Sicherer Bindungstyp
Der sichere Bindungstyp gilt oft als der "Traum-Bindungsstil" – und das hat gute Gründe. Sicher gebundene Kinder haben gelernt, dass ihre Bezugspersonen zuverlässig und sensibel auf ihre Bedürfnisse reagieren. Dieses Vertrauen schafft ein stabiles Urvertrauen in andere Menschen. Sie wissen, dass ihre Bindungsperson auch nach einer Trennung wieder für sie da ist und sie bei schwierigen Gefühlen unterstützt. US-Amerikanische Studien gehen davon aus, dass circa 60% der Kinder sicher gebunden sind.
Wenn später keine traumatischen oder belastenden Erfahrungen hinzukommen, entwickeln sich diese Kinder meist zu Erwachsenen mit einem sicheren Bindungsstil. Sie können emotionale Nähe genießen, ohne sich dabei selbst zu verlieren und fühlen sich in Beziehungen wohl. Beim Dating fällt es ihnen leicht, andere an sich heranzulassen – ohne Drama und unnötige Spielchen.
Vermeidender Bindungstyp
Bei Kindern mit einem vermeidenden Bindungsstil sieht die Sache anders aus. Ihre Bindungspersonen sind oft emotional oder körperlich nicht wirklich präsent, was bedeutet, dass die Bedürfnisse des Kindes nicht ausreichend erfüllt werden. Häufig meiden diese Eltern engen Körperkontakt, drücken ihre Gefühle wenig aus und können auf Bindungsversuche des Kindes ablehnend reagieren.
Das Ergebnis? Das Kind lernt, seine eigenen Bindungsbedürfnisse zu unterdrücken, um nicht noch mehr Zurückweisung zu erleben. Statt Nähe zu suchen, entwickelt es ein vermeidendes Verhalten gegenüber seinen Bezugspersonen – einfach, um sich selbst zu schützen. Etwa 15 % der Kinder gehören zu dieser Gruppe.
Auch ein kalter, kritischer oder auf Leistung ausgerichteter Erziehungsstil kann die Entstehung eines vermeidenden Bindungsstils begünstigen. Verlusterfahrung wie der Tod eines Elternteils können ebenfalls dazu beitragen, dass sich dieser Bindungstyp durchsetzt.
Auch als Erwachsene bleibt die erworbenen Schutzstrategie oft bestehen. Vermeidend gebundene Menschen tun sich schwer mit emotionaler Nähe und unterdrücken ihre Gefühle, obwohl sie häufig unbewusst von Verlustangst begleitet werden. Sie halten andere lieber auf Distanz – nicht, weil sie keine Liebe wollen, sondern aus Angst, verletzt oder verlassen zu werden.
Ängstlicher Bindungstyp
Wenn Eltern in ihrem Verhalten sehr schwankend sind, kann das bei Kindern einen ängstlichen Bindungstyp fördern. Mal reagieren die Bezugspersonen feinfühlig und liebevoll, mal sind sie emotional nicht erreichbar – und diese Unbeständigkeit hinterlässt Spuren. Kinder mit diesem Bindungstyp klammern sich oft an ihre Eltern und beobachten deren Verhalten genau, weil sie unsicher sind, ob sie getröstet, ignoriert oder vielleicht sogar bestraft werden.
Um sicherzugehen, dass sie nicht übersehen werden, zeigen diese Kinder übertrieben viele Bindungssignale – ein Verhalten, das man als „Hyperaktivierungsstrategie“ bezeichnet. Sie wollen ihre Eltern unbedingt dazu bringen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Etwa 9 % der Kinder in der typischen US-amerikanischen Mittelschicht fallen in diese Kategorie.
Auch als Erwachsene spiegelt sich dieser Bindungstyp häufig im Beziehungsverhalten wider. Ängstlich gebundene Menschen sehnen sich stark nach Nähe, haben jedoch oft Schwierigkeiten, ein gesundes Maß an Distanz zu wahren. Das kann schnell dazu führen, dass sie klammern und ihre Partner:innen sich eingeengt fühlen. Eifersucht ist bei diesem Bindungstyp ebenfalls ein häufiger Begleiter in Beziehungen.
Desorganisierter Bindungstyp
Der desorganisierte Bindungsstil ist wohl der komplexeste und am wenigsten erforschte der vier Bindungstypen. Ursprünglich wurde er von Ainsworth übersehen, da diese Kinder sowohl vermeidendes als auch ängstliches Verhalten zeigen – was die Einordnung erschwert. Häufig liegt diesem Bindungstyp ein Trauma zugrunde, etwa wenn die Bezugsperson selbst die Quelle von Angst oder Bedrohung ist.
Das Kind steht dann vor einem emotionalen Dilemma: Es möchte Schutz und sucht Nähe, aber genau diese Nähe löst Angst aus, weil die Bezugsperson gleichzeitig gefährlich wirkt. Diese widersprüchlichen Gefühle führen dazu, dass das Kind sowohl Annäherungs- als auch Rückzugsverhalten zeigt – eine sehr belastende Erfahrung. Studien zufolge sind etwa 15 % der Kinder in den USA desorganisiert gebunden.
Im Erwachsenenalter zeigen Menschen mit einem desorganisierten Bindungsstil ähnliche Widersprüche. Sie sehnen sich nach Bindung, empfinden gleichzeitig aber Angst davor, sich zu sehr auf andere einzulassen. Dieser innere Konflikt kann zu einem ständigen Auf und Ab in Beziehungen führen – was die Dynamik häufig schwierig macht und sogar zu einer toxischen Beziehung führen kann.
Wie verhalten sich die Bindungstypen in Beziehungen?
Die Idee, dass Bindungsmuster aus der Kindheit bis ins Erwachsenenalter hineinwirken, wurde 1987 von Hazan und Shaver etabliert. Sie waren die ersten, die romantische Liebe als Bindungsprozess beschrieben und den Zusammenhang zwischen frühen Bindungserfahrungen und dem späteren Beziehungsverhalten aufzeigten. Dabei stellten sie fest, dass die kindlichen Bindungsstile maßgeblich beeinflussen, wie Menschen romantische Beziehungen eingehen und gestalten.
Allerdings betonten Hazan und Shaver auch, dass Bindungsstile nicht unveränderlich sind. Menschen mit unsicheren Bindungserfahrungen können durch Therapie oder korrigierende Beziehungserfahrungen einen sicheren Bindungsstil entwickeln. Die folgenden Verhaltensweisen sind nicht in Stein gemeißelt, sondern lassen sich mit entsprechender Eigenmotivation, Unterstützung und korrigierenden Erfahrungen verändern.
Sicher gebundene in romantischen Beziehungen
Menschen mit einem sicheren Bindungsstil beschreiben ihre romantischen Beziehungen häufig als:
Besondere Merkmale in Beziehungen von sicher gebundenen:
Die Offenheit für Intimität, die Fähigkeit zu konstruktiver Kommunikation und eine gesunde Einstellung zur Sexualität tragen dazu bei, dass sicher gebundene Personen stabile und erfüllte Beziehungen führen.
Vermeidenden Bindungstyp daten
Menschen mit vermeidendem Bindungstyp tuen sich in Beziehung oft etwas schwerer. Sie zeigen charakteristische Verhaltensweisen, die ihre Angst vor Nähe und Intimität widerspiegeln. Beziehungen von vermeidenden Menschen sind häufig geprägt von:
Beziehungsverhalten von ängstlich gebundenen
Ängstlich gebundene Menschen erleben Liebe oft intensiv und mit widersprüchlichen Gefühlen. Beziehungen von Menschen mit ängstlichem Bindungstyp sind geprägt von:
Desorganisiert gebundene beim Dating
Menschen mit einem desorganisierten Bindungsstil zeigen eine Mischung aus vermeidenden und ängstlichen Verhaltensweisen. Ihre Beziehungen zeichnen sich aus durch:
Denke immer daran, dass Menschen mehr sind als ihr Bindungsstil. Nicht alle desorganisiert gebundenen Menschen führen toxische Beziehungen und auch vermeidende Personen sind in der Lage, Langzeitbeziehungen zu führen. Die genannten Punkte beschreiben lediglich, welche Verhaltensweisen für bestimmte Bindungstypen beim Dating wahrscheinlich sind – allerdings gibt es noch weit mehr Einflussfaktoren darauf, wie sich Menschen in Beziehungen verhalten. Das Geschlecht spielt übrigens keine Rolle – es gibt genauso Bindungsangst bei Männern, wie sie es auch bei Frauen gibt. Versuche deshalb, Menschen in ihrer ganzen Komplexität zu sehen und nicht bei dem ersten Anzeichen von Bindungsangst einen Bindungsdefizit zu „diagnostizieren“.
Welche Bindungstypen passen zusammen?
Ah, die große Frage der Liebe: Wer passt eigentlich zu wem? Während die Chemie zwischen zwei Menschen oft schwer greifbar ist, können Bindungstypen tatsächlich einen spannenden Einblick in Beziehungsdynamiken geben. Hier ein Überblick, wie sich die verschiedenen Bindungstypen Kombinationen auswirken können:
Sicher + Sicher: Das Traumpaar
Ängstlich + Vermeidend: Magisch, aber toxisch
Zwei Vermeidende: Abseits von Nähe
Zwei Ängstliche: Drama ohne Ende
Sicher + Unsicher (ängstlich oder vermeidend): Das Gleichgewicht
Kombinationen mit Desorganisierten: Kompliziert, aber nicht hoffnungslos
Die Kombination aus zwei sicher gebundenen Menschen bietet die besten Voraussetzungen für eine stabile, glückliche Beziehung. Aber keine Panik, wenn Du oder Deine Partnerperson unsicher gebunden seid – mit Kommunikation, Selbstreflexion und eventuell Unterstützung durch eine Sexualtherapie könnt Ihr Eure Bindungsmuster erkennen und daran arbeiten. Schließlich ist Liebe kein festes Konzept, sondern ein kontinuierlicher Prozess!
Bindungstyp des Partners erkennen
Du fragst Dich, welcher Bindungstyp Dein:e Partner:in ist? Ein guter Startpunkt ist, das Verhalten in der Beziehung genau zu beobachten. Sicher gebundene Menschen zeigen sich meist offen für Nähe, aber auch entspannt, wenn Du Zeit für Dich brauchst. Ängstlich Gebundene neigen hingegen dazu, viel Bestätigung zu suchen und können schnell eifersüchtig oder anhänglich wirken. Vermeidende Bindungstypen halten Distanz, ziehen sich in Konflikten oft zurück und wirken manchmal emotional unzugänglich. Desorganisierte Bindungstypen sind schwerer zu erkennen, da sie Nähe suchen, diese aber gleichzeitig fürchten, was sich in widersprüchlichem Verhalten zeigt.
Aber Achtung: Manche Bindungsdynamiken zeigen sich erst, wenn eine gewisse Zeit vergangen ist. Verlustängste beispielsweise treten oft erst auf, wenn Dir die andere Person wirklich wichtig geworden ist. Auch toxische Muster schleichen sich häufig langsam ein und sind nicht von Anfang an offensichtlich. Daher ist es sinnvoll, immer aufmerksam zu bleiben und die Augen nach möglichen Red Flags in Beziehungen offen zu halten.
Ein guter Weg, den Bindungstyp zu entschlüsseln, ist Kommunikation: Sprich offen über Eure Bedürfnisse, Beobachtungen und Erfahrungen aus der Kindheit. Du wirst überrascht sein, wie viel Klarheit ein ehrliches Gespräch bringen kann. Und falls es kompliziert wird – keine Sorge! Bindungsstile sind keine Schicksale, sondern Muster, die sich verändern können, wenn beide daran arbeiten. Wenn Ihr als Paar immer wieder in gleiche Dynamiken geraten, könnt Ihr auch Unterstützung von einer Paarberatung oder Sexualtherapie annehmen, um an Eurem jeweiligen Bindungsverhalten zu arbeiten.