Beziehung ohne Sex
Reicht eine Liebe ohne Intimität?
Sex ohne eine Beziehung scheint für einige Menschen kein Problem zu sein. Doch wie sieht es umgekehrt aus? Kann eine Beziehung ohne Sex überhaupt funktionieren? Leidet die Partnerschaft darunter oder zerbricht gar das Wir-Gefühl schneller? Wir haben die Antworten.
Am Anfang ist das Verlangen noch groß ...
Gerade zu Beginn einer Beziehung fällt es vielen Paaren schwer, überhaupt das Bett zu verlassen. Die Lust ist groß, der Reiz am Neuen fast unerlässlich. Schuld daran sind vor allem die "rosarote Brille" sowie eine wahre Flut von Glückshormonen wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin, begleitet von Sexualhormonen wie Testosteron und Östrogen. Diese Hormone sorgen für ein intensives Verlangen nach sexueller Befriedigung und schaffen das bekannte Gefühl der Verliebtheit, das durch Leidenschaft und Aufregung geprägt ist.
… doch dieser Zustand ist nicht von Dauer
Nach der ersten Phase, die oft mehrere Monate bis ein paar Jahre anhält, beginnt das Gehirn, ruhigere Botenstoffe wie Oxytocin und Vasopressin zu produzieren. Diese Hormone fördern Gefühle von Sicherheit, Geborgenheit und langfristiger Bindung. Während Oxytocin, auch als "Kuschel-Hormon" bekannt, die emotionale Nähe und das Vertrauen zwischen Partnern stärkt, trägt Vasopressin zur Stabilität und Treue in der Beziehung bei.
Dieser Übergang in der Hormonproduktion ist nicht nur natürlich, sondern auch notwendig. Der Ausnahmezustand der Verliebtheit, so wunderschön er auch ist, wäre auf Dauer erschöpfend. Durch die Veränderung der Hormonlandschaft im Gehirn bekommt die Beziehung eine andere, stabilere Qualität. Die Partner beginnen, die "rosarote Brille" abzulegen und sich realistischer und tiefer miteinander auseinanderzusetzen.
In dieser neuen Phase der Beziehung legen Paare oft mehr Wert auf Gefühle wie Sicherheit und Geborgenheit, die die Partnerschaft festigen. Diese tiefere Verbindung ermöglicht es den Partnern, sich eine langfristige gemeinsame Zukunft vorzustellen, einschließlich der Möglichkeit, Kinder großzuziehen. Gleichzeitig kann die Abnahme der intensiven hormonellen Anziehungskraft dazu führen, dass das sexuelle Verlangen nicht mehr so häufig und stark ist wie zu Beginn der Beziehung.
Diese Veränderungen bedeuten jedoch nicht, dass Sex in langjährigen Beziehungen weniger wichtig ist. Vielmehr entwickelt sich die Intimität weiter und nimmt andere Formen an. Paare können ihre Bindung durch körperliche Nähe, Zärtlichkeiten und intensive Gespräche stärken. Die emotionalen und physischen Verbindungen, die in der frühen Phase der Beziehung aufgebaut wurden, bleiben bestehen und können durch bewusste Anstrengungen und Kommunikation vertieft werden.
Wie oft Sex in der Beziehung ist normal?
Die Häufigkeit von Geschlechtsverkehr in Beziehungen variiert stark und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Alter, Gesundheitszustand und Lebenssituation. Studien zeigen, dass junge Paare tendenziell häufiger Sex haben, während die Häufigkeit im Laufe der Jahre abnimmt. Laut einer Umfrage des Kinsey-Instituts haben etwa 34% der verheirateten Paare mehrmals pro Woche Sex, während 45% nur ein paar Mal im Monat sexuell aktiv sind. Mit zunehmendem Alter und anderen Lebensveränderungen kann sich dies weiter reduzieren.
Doch dies sind alles nur Zahlen und sollten keinesfalls zu ernst genommen werden. Immerhin repräsentieren sie nur den Durchschnitt - und wer sagt denn, dass nur der Durschnitt normal und akzeptabel ist. Wie wichtig Sex in der Beziehung sollte niemand anderes entscheiden außer Dir und Deinem:r Partner:in. Nur Ihr wisst, was sich für Euch normal und richtig anfühlt. Sei es zwei mal pro Woche, pro Monat oder pro Jahr - lasst Euch keinesfalls von einer Zahl verunsichern!
Anstatt Euch also den Kopf zu zerbrechen, warum Ihr gerade keinen Sex habt, solltet Ihr darüber nachdenken, was Euch erfüllt. Was stärkt Eure Partnerschaft, was schafft eine tiefe Bindung? Denn eine Beziehung ohne Sex muss keine Partnerschaft ohne körperliche Nähe sein.
Beziehung ohne Sex: Woran liegt es?
Es gibt zahlreiche Gründe, warum Sex in langfristigen Beziehungen weniger wichtig wird:
Vorteile von Sex in Beziehungen
Sex hat zahlreiche Vorteile, sowohl auf physischer als auch auf emotionaler und psychologischer Ebene. Diese Vorteile sind gut dokumentiert und durch verschiedene Studien belegt.
Physische Vorteile:
Emotionale Vorteile:
Psychologische Vorteile:
Beziehung ohne Sex: Ein mögliches Modell
Wir haben über die zahlreichen Vorteil von Sex in einer Beziehung gesprochen - sei es gesundheitlich oder auch psychologisch. Was wir jedoch auch erwähnen sollten ist, dass es neben der Sexualität auch andere Arten von körperlicher Nähe in einer Ehe oder Partnerschaft geben kann.
Körperliche Nähe und Zärtlichkeiten, wie Kuscheln oder Umarmungen, können ebenfalls Intimität schaffen. Intensive Gespräche fördern das emotionale Verständnis und der gegenseitige Respekt stärkt die Partnerschaft. Paare können durch gemeinsame Aktivitäten und Qualitätszeit ihre Beziehung bereichern und Sex somit "kompensieren".
Ehe ohne Sex: Oft als "Panda-Syndrom" bekannt
Werfen wir doch gezielt mal einen Blick in die Tierwelt. Denn auch hier gibt es einige Exemplare, bei denen eine Beziehung ganz ohne Sex (oder zumindest mit sehr wenig) gut funktionieren kann. Gemeint sind die Pandas. Diese Paaren sich nämlich nur einmal im Jahr für einen kurzen Zeitraum - die restliche Zeit erhalten sie eine starke Bindung aufrecht durch regelmäßiges Kuscheln und engen Körperkontakt.
Oft tritt dies in langjährigen Beziehungen auf, wo die Partner eine tiefe, emotionale Verbindung entwickelt haben, die über körperliche Intimität hinausgeht. Um das Panda-Syndrom zu überwinden, ist es wichtig, offen über Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
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Beziehung ohne Sex: Was wenn das Verlangen ungleich ist?
Wir haben darüber gesprochen, das es zahlreiche Ursachen und Gründe gibt, warum einige Paare mit der Zeit weniger Interesse an Intimität zeigen. Und wenn es für beide Partner auch okay ist und sie zufrieden sind, muss die Beziehung darunter auch nicht leider.
Doch dies ist leider nicht immer der Fall. In vielen Beziehungen kommt es nämlich vor, dass ein Partner mehr Sex will als der andere. Dies kann verschiedene Ursachen haben, wie unterschiedliche Libido, Stress oder gesundheitliche Probleme. Kommunikation ist hier der Schlüssel damit sich die Unzufriedenheit nicht in die Beziehung schleicht und die Liebe verblassen lässt. Folgende Tipps könnten daher hilfreich sein:
Offen über die Bedürfnisse reden
Wenn Dir oder Deinem Partner die Lust auf Sex fehlt, habt Ihr damit vermutlich kein Problem. Ihr könnt miteinander kuscheln, ohne dass einer von Euch etwas vermisst. Schwieriger ist es, wenn nur einer von Euch keinen Sex braucht, denn dann können sich beim anderen Sehnsüchte einstellen. Sprecht ganz ehrlich und offen darüber und schaut, welche Lösungen es gibt. Einige Paare öffnen die Beziehung, der sexuell aktive Part hat dann Sex mit anderen Menschen. Andere wiederum sehen Masturbation als Lösung.
Nicht zum Sex drängen
Wenn Dein Partner kein Verlangen nach Sex verspürt, darfst Du ihn auf keinen Fall dazu drängen. Unabhängig davon, ob die fehlende Lust ein körperliches oder seelisches Problem hat oder ob Dein Partner schlichtweg asexuell ist, Drängen und Nötigen ist der falsche Weg aus der Krise. Eine Beziehung ohne Sex ist nur möglich, wenn Ihr Euch beide akzeptiert.
Eine Therapie versuchen
Vor allem wenn Sex dem einem Partner wichtiger ist als dem Anderen kann es helfen, sich in eine Einzel- oder auch Paartherapie zu begeben. Hier kann man offen über Gefühle, Sehnsüchte und Wünsche sprechen und vielleicht auch die wahren Gründe für die Sexflaute in der Beziehung finden.
An die Liebe glauben
Die Liebe ist nicht vom Geschlechtsverkehr abhängig. Sicher gibt es Paare, für die eine Beziehung ohne Sex nicht denkbar wäre und das ist vollkommen in Ordnung. Wenn Ihr Euch aber für eine solch platonische Verbindung entschieden habt, ist Eure Liebe deswegen nicht weniger wert. Ihr könnt eine ebenso harmonische Beziehung miteinander führen und zusammen alt werden, wie Paare mit einem aktiven Sexleben.
Fazit: Beziehung ohne Sex
Beziehungen ohne Sex können ebenso erfüllend und glücklich sein wie solche mit regelmäßiger sexueller Aktivität. Der Schlüssel liegt in offener Kommunikation, gegenseitigem Respekt und der Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden. Indem Paare alternative Wege der Intimität und Verbundenheit entdecken, können sie eine starke und liebevolle Beziehung aufrechterhalten, auch wenn der Sex eine geringere Rolle spielt.
Quellen:
- University of Paisley Study: "Sex and Blood Pressure: Stress and Relationship Study," Journal of Biological Psychology.
- Wilkes University Study: "Sex and Immune Function," Journal of Sexual Medicine.
- New England Research Institute: "Frequency of Sexual Activity and Heart Health," American Journal of Cardiology.
- University of Zurich Study: "Oxytocin and Relationship Satisfaction," Journal of Social and Personal Relationships.
- University of Texas Study: "Emotional Connection and Sexual Frequency," Journal of Marriage and Family.
- University of California, Santa Barbara: "Self-Esteem and Sexual Activity," Journal of Personality and Social Psychology.
- National Bureau of Economic Research: "Happiness and Sexual Frequency," Journal of Economic Behavior & Organization.